Da. Nicht wieder da. Einfach da.
Ihr Lieben.
Puh.
Jetzt sitze ich hier nach fast zwei Wochen Internet und Menschheitsabstinenz und suche nach Worten fuer etwas, das mit Worten nicht zu beschreiben ist.
Ich weiss ja nicht, wieviele von Euch das schon einmal gemacht haben. Oder auch nur eine Vorstellung haben. Ich versuche mal, einen kurzen, intensiven Eindruck abzugeben.
Erkaeltet habe ich meinen Weg angetreten schon am 27.3., am 28. war die Registrierung im Kloster. In Chaya, Wat Suan Mokkh. Wer mag, einfach mal googeln. Hm. Eine Nacht musste ich in der Main-Monastery schlafen, es traf mich wie ein Schlag. Ein Steinblock, darauf eine Strohmatte, ein hoelzerner Klotz, der Wodden-Pillow genannt wird, Kopfkissen also, aha, und ein Moskitonetz. Das war alles. Ich stand da in fiebernder Muedigkeit, hatte einen hitzigen Tag hinter mir, einen langen zudem, und dann dieser Anblick. Mutig begab ich mich zur Nachtruhe, die keine war. Am naechsten Tag, keinen Knochen mehr im Leib, der nicht zu spueren war, ging es auf den Fussmarsch ins Kloster in den Bergen. 2,5km Fussmarsch in bruetender Hitze.
Die Aussicht auf ein komfortablereres Bett lockte den mueden Koerper durch den Staub. Gut. Angekommen, eingeschrieben, Fuehrung. Ich mach es kurz: wundervoller Ort, gruen, twei grosse Teiche, Palmen, Gruenflaechen, zirpende Grillen, Geckos, heisse Thermen, fuenf wunderschoene, offene Meditationshallen, ein Glockenturm, etwa 60 Frauen, 60 Maenner, die ALLES, ausgenommen die Meditationen, getrennt machen. An getrennten Tischen essen, klar, getrennt schlafen, getrennt Sport, getrennt sitzen in den Hallen, moeglichst nicht ansehen. Dann wurden wir in den Schlafdorm gefuehrt, jeder hatte zwar sein eigenes Zimmer, doch, seht selbst.
Tagesablauf:
04:00 Morningbell
04:30 Mornigreading/ Meditation
05:30 Yoga
06:30 Dhamma Talk
07:30 Fruehstueck (Reissuppe) danach Chores (Sandfelder des grossen Baumes fegen)
10:00 Dhamma Talk
11:00 Sitting Meditation
12:00 Walking Meditation
12:30 Mittagessen (Reis. Fruechte. Gemuese.)
14:30 Dhamma Talk
15:30 Sitting Meditation
16:15 Walking Medititation
16:45 Chanting (Singen mit einem Moench)
17:30 Tee und Hot Springs (natuerliche, heisse Quellen)
19:30 Sitting Meditation
20:00 Walking Meditation (um die mit Kerzen ausgeleuchteten Teiche herum. Nacht, Vollmond, Sterne)
20:30 Sitting Meditation
21:00 Zurueck in den Schlafsaal
21:30 Licht aus, Good Night
Ganz ehrlich. Es war schwierig. Nicht reden, nicht schreiben, nicht lesen, keine Musik, kein Handy, manche Menschen laecheln nicht einmal. Frueh aufstehen, langer Tag, wenig essen, kein Fleisch, ungewohnt langes Sitzen. KEINE ABLENKUNG eben von MIR SELBST. Am sechsten Tag konnte ich nicht mehr ohne Schmerzen in den Beinen, dem Ruecken oder den Gelenken sitzen. Meine Gedanken haben fangen gespielt, anstatt zur Ruhe zu kommen. Das sah dann so aus. In mir versteht sich. (Inspiriert durch eine andere Meditationsteilnehmerin.)
BING, BING, BING!!!
Einatmen, ausatmen.
Oh gut, das klappt.
Einatmen, ausatmen.
Oh, wie schoen die Grillen zirpen. Huch, nein. KONZENTRATION!!
Einatmen, ausatmen. Gut. Geht doch.
War das ein Gecko grade? Mensch! Nein. Konzentrier Dich!
Gut. Einatmen. Ausatmen, einatmen, ausatmen, jaaaa, einatmen...
Hm. Mist. Ist das ein Moskito auf meiner Stirn? NEIIIIIIN. Hoer auf damit. Konzentrier Dich. Das ist kein Moskito. Und wenn schon. Es ist nicht DEINE Stirn!!
Hae? Egal. Mach einfach.
Einatmen, ausatmen, ein... Gut.
Oh Mann, ich kann nicht mehr. Alles tut weh. Mal nach links schauen. Nein. Die meditiert. Erfolgreich, Mist. Rechts. Ah, hurra, die hat auch die Augen offen.
MEDITIEREN. KONZENTRIEREN!!!!
Einatmen, ausatmen.
Autsch. Ehrlich. Ich kann nicht mehr. Bitte. Lass die Glocke klingeln. Ich kann nicht mehr. Ich linse mal. NEIN. Keine Glocke. Mist. Na gut. Ich probiers nochmal.
Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, ahh, das fuehlt sich ja gut an, was ist das?, einatmen, ausatmen, huch, es wird so schwarz, so kuehl, ooooohhhh, oh ja, hmmmm, einatmen, ausatmen, einatmen, Lichter, huch, Stille, oh Mann, Ruhe, schweben, mein Koerper tut nicht mehr weh, ich will mehr davon, einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, einatmen, fliegen, ja, einatmen, es raschelt irgendwo, oh nein, bitte, nicht die Glocke, bitte nicht, nicht jetzt, einatmen, ausatmen, NEIN, bitte nicht JETZT.
BING, BING, BING!!!
Und da war ich wieder. Mensch. Ich kann nicht beschreiben, was ich erfahren durfte in diesen Tagen. Alles in Allem muss ich wohl sagen, dass mir eines ganz bewusst wurde in diesen stillen, hellen, mir nahen Momenten, ungestoert von inneren und aeusseren Stimmen und fernab jeder Zivilisation,
und zwar die Vergaenglichkeit. Nichts und niemand, das oder der bleibt. Und alles als Teil vom Grossen ganzen, ebenso ich. Alles eins. Ihr fragt jetzt sicher: Wie, du erfaehrst, dass nichts und niemand bleibt, nichts bestaendig ist, ein Kommen und Gehen, und DAS macht Dich gluecklich?
Ja. Tut es. Weil. Das im Umkehrschluss bedeutet, dass ich endlich loslassen kann. Die Vergangenheit. Die Schmerzen. Traenen. Zweifel. Menschen, die sowieso schon lange nicht mehr bei mir sind und die das Fuehlen traege machen durch ihre Anwesenheit in meinen Gedanken. Loslassen. Die Trauer und auch die Zukunftsaengste. LOSLASSEN. Einfach SEIN im Jetzt. Ich habe es schon voher gewusst. Aber in diesen zehn Tagen habe ich es gefuehlt.
Ach. Ich sagte es schon. Schwer, unmoeglich zu beschreiben. Erleben muss es wohl jeder fuer sich.
Jedenfalls gestern, nachdem ich um einige Kilos und Gedanken, Sorgen und Existenzaengste leichter, das Kloster verliess um mich einfach in einem Bus zu setzen und loszufahren, ohne Plaene, ohne Stimmen, ohne Angst,
war ich gluecklich. Gluecklicher als es mich jede Liebe und Lebenssituation jemals zu machen vermochte.
Und ich bin es noch heute. Wache auf, in einem Ort namens Ao-Nang, vor Krabi, atme ein, aus, bin das Internet und Konversationen nicht leid aber leicht satt, nur nicht die Menschen, die in mir wohnen, also entschliesse ich mich zu einem gluecklichen Gang ins Internetcafe.
Viele Worte um eine grosse Sache. Viel Liebe in einem Herzen aus Fleisch, das nicht einmal mir gehoert sondern nur geliehen ist.
Ich schicke Euch diese Liebe. Viel Liebe und Kraft und einen klaren Blick. Fuer das, was IST. Wenn auch nicht immer einfach. Sonne, Meer und Schwingen.
Ausserdem ein paar Photos von meinen zehn Tagen. Und wenn ich vorher schon einmal kosten durfte so weiss ich es jetzt sicher,
mit Bewusstsein, Achtsamkeit und Menschlichkeit,
SO WIRD ES GEHEN.
Gleich geht es weiter auf eine kleine Insel, die vor der Suedwestkueste liegt und Koh Jum heisst. Dort soll es am Abend keine Elektrizitaet geben und das kommt mir zupass. Ich freue mich auf weitere Stille. Ich melde mich bald.
Flaschenpost - 12. Mär, 04:18